Digitalisierung in Deutschland: Zwischen Effizienz und Bürokratie
30. März 2025Die Studie „Industrie 4.0 Barometer 2025“ der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Unternehmensberatung MHP zeigt auf, dass Deutschland und die DACH-Region beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und digitalen Technologien in der Industrie international ins Hintertreffen geraten. Besonders beunruhigend: Nur 19% der befragten Unternehmen setzen KI produktiv ein. Im Gegensatz dazu treiben China und die USA mit offensiven Datenstrategien, moderner IT-Infrastruktur und hochqualifizierten Fachkräften die digitale Transformation aktiv voran. Weniger als ein Fünftel der befragten Unternehmen gaben an, dass KI in der Produktion die Effizienz erhöht oder Kosten senkt: Das, so Oliver Kelkar von MHP „ist definitiv zu wenig für die Wettbewerbsfähigkeit und für die notwendige Automation vor dem Hintergrund von Fachkräftemangel und preisagressivem globalem Wettbewerb“. KI bestehe nur zu zehn Prozent aus „Magie“, der Rest sei schweißtreibende Arbeit für exzellente Daten.
Der Einfluss der Künstlichen Intelligenz (KI) auf die Wettbewerbsfähigkeit wird als enorm eingeschätzt – auch wenn die Umsetzung in der Produktion durch die lange Lebensdauer der Anlagen noch Zeit benötigt. Zukünftig sollen Produktionssysteme nicht mehr starr und hardwarezentriert agieren, sondern durch den Einsatz von KI und digitalen Technologien deutlich flexibler werden. KI übernimmt dabei die Rolle des „Gehirns“ der Produktionsanlagen, indem sie Maschinen autark steuert, optimiert und dynamisch anpasst.
Ein zentraler Erfolgsfaktor ist die KI-Kompetenz im Management. Obwohl die deutsche Industrie hier Fortschritte verzeichnet, besteht international ein deutlicher und sogar wachsender Kompetenzunterschied. Besonders problematisch ist, dass oft langjährige Manager ohne ausreichende Kenntnisse in KI und Softwareentwicklung mit der Implementierung digitaler Projekte betraut werden – ein Ansatz, der aufgrund der unterschiedlichen Herangehensweisen an hardwarebezogene versus digitale Projekte problematisch ist: „Die deutsche Industrie hat bei ihren KI-Kompetenzen zwar Fortschritte gemacht, aber die Lücke fällt im internationalen Vergleich deutlich aus und wird eher größer“, erläutert Johann Kranz, Professor für Digital Services und Nachhaltigkeit an der LMU München.
Herausforderungen in der DACH-Region:
- Veraltete IT-Infrastrukturen und hartnäckige Datensilos behindern die Integration von Industrie-4.0-Technologien.
- Fehlende Datenstrategie und ein defensiver Umgang mit Daten (Fokus auf Compliance statt Innovation).
- Geringe KI-Kompetenz im Management – oft sind hardwarenah geprägte Führungskräfte für digitale Themen zuständig.
- Fachkräftemangel und fehlende Weiterbildungsangebote im Bereich Datenkompetenz.
- Zu geringe Einbindung von CIOs in die Geschäftsleitung (nur bei 49 % der Unternehmen, im Vergleich zu 92 % in China).
Stärken der internationalen Wettbewerber:
- China setzt auf dezentrale Datenarchitekturen, flexible Steuerung durch KI und flächendeckende Sensorik.
- In den USA und China wird KI zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und zusätzlicher Einnahmequellen genutzt.
- Digitale Zwillinge, Machine-to-Machine-Kommunikation und Traceability sind dort Standardtechnologien.
Handlungsempfehlungen für Manager und Eigentümer mittelständischer und großer Unternehmen
1. Digitale Führungsstrukturen neu denken
- CIO als strategischer Impulsgeber: Einbindung eines technologieaffinen CIO in die Geschäftsleitung. Studien belegen einen Produktivitätsvorteil von bis zu 31 % durch diese Maßnahme (MHP/LMU, 2025).
- Führungspersonal gezielt weiterbilden in datengetriebenem Denken, digitaler Innovationssteuerung und KI-Kompetenz.
2. Datenstrategie als Kernelement der Unternehmensstrategie verankern
- Von defensiver zu offensiver Datenstrategie wechseln: Daten nicht nur zur Optimierung, sondern gezielt zur Entwicklung neuer Produkte, Services und Geschäftsmodelle nutzen (MIT Sloan Management Review, 2022).
- Daten als Asset betrachten – Aufbau von Datenprodukten, Monetarisierungsstrategien und Governance-Strukturen.
3. IT-Architektur modernisieren und skalierbar gestalten
- Legacy-Systeme systematisch ablösen, offene und interoperable Systemlandschaften aufbauen.
- Datensilos abbauen durch Cloud-Lösungen, APIs und zentrale Datenplattformen.
4. Technologieeinsatz entlang der gesamten Wertschöpfungskette
- Einsatz von Sensorik, digitalen Zwillingen, Machine Learning und automatisierter Steuerung priorisieren.
- Prozesse mit KI verbessern – von Predictive Maintenance bis zur autonomen Produktionssteuerung.
5. Unternehmenskultur und Weiterbildung
- Digitales Mindset fördern: Kulturwandel durch Schulungen, cross-funktionale Teams und Innovationsprogramme.
- Kontinuierliche Weiterbildung in den Bereichen Datenanalyse, Automatisierung, KI und Softwareentwicklung.
6. Innovationspartnerschaften und Ökosysteme nutzen
- Kooperationen mit Startups, Forschungsinstituten und Technologiepartnern ausbauen.
- Nutzung staatlicher Förderprogramme (z. B. Innovationsprämie Digitalisierung, GAIA-X-Projekte).
7. Messen, Benchmarken, Skalieren
- KPIs zur digitalen Reife, Nutzung von KI und Automatisierungsgrad definieren.
- Pilotprojekte zur Skalierung befähigen – Fokus auf skalierbare Proof-of-Concepts mit klar messbarem ROI.
Quellenangaben / Primärquelle:
- Holger Schmidt: Deutschland droht beim KI-Einsatz in der Industrie den Anschluss zu verlieren,
F.A.Z. PRO Digitalwirtschaft, 26.03.2025
https://www.faz.net/pro/digitalwirtschaft/transformation/deutschland-droht-beim-ki-einsatz-in-der-industrie-den-anschluss-zu-verlieren-110376338.html
Weitere Quellen zur Untermauerung der Empfehlungen:
- MIT Sloan Management Review (2022): 6 Ways to Help Employees Embrace Data-Driven Initiatives
https://mitsloan.mit.edu/ideas-made-to-matter/6-ways-to-help-employees-embrace-data-driven-initiatives - ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (2024): KI-Einsatz stagniert in deutschen Unternehmen
https://www.zew.de/presse/pressearchiv/ki-einsatz-stagniert-in-deutschen-unternehmen - WELT (2024): „Deutschland nahezu überall zurückgefallen“ – Der dramatische Appell der Industrie
https://www.welt.de/253445186